Website auf Geocities

Immer diese Verführungsversuche durch Blogparaden! Zuerst habe ich mich zu einem Beitrag über die Geschichte des Bloggens hinreissen lassen und nun zur Abarbeitung folgender Behauptung: Warum mich Bloggen glücklich macht!

„Des Glück is a Vogerl, gar liab aber scheu, es lasst si schwer fangen, aber fortg’flogn is glei …..“ singen die Wiener, und raunzen damit über die Flüchtigkeit des Glücks. Skepsis und Melancholie obsiegen dort immer über Gewissheit. Selbstgewissheit ist dieser Haltung mehr als fremd, ebenso wie Gründlichkeit. Denn Optimismus ist in Wien niemals zuhause gewesen, pessimistisches Dahergeschlampe schon. Rezepte fürs Glücklichsein sind nicht mal einen Lacher wert. Der Traum ein Leben.

Dass sogar Bloggen glücklich machen soll, wie der Titel der Blogparade von Elke Heinze insinuiert, ist eine überschwengliche und missglückte Behauptung. Selbst begründen mag die Autorin die Frage wohlweislich nicht, allerdings hat sie Pläne: ein Buch aus den Antworten zu dieser Frage zu schreiben. Gratisexemplare des geplanten Buches stellt sie in Aussicht für jene, die ihr Ideen liefern wollen. Das ist weder grosszügig noch smart, sondern schlichtweg frech. Von dem kleinen Bildchen, mit dem wir unsere Gedanken als EH Produkt branden sollen, ganz zu schweigen.

Aber seis drum! Macht man halt das, was im gestrengen Deutschunterricht meiner Jugend als Themenverfehlung bezeichnet wurde. Wenn man als Jugendlicher sich enervierender Aufsatzthemen verwehren wollte, schrieb man um sie herum und stellte sie in Frage. Schreiben wir also darüber, warum Glück und Bloggen wohl nichts ursächlich miteinander zu tun haben können. Entlarven wir also das behauptete Glück als das, was es ist: Wohlfühlgetuschel.

Beginnen wir mit einem naiven Gedanken: Bloggen sei gutgelebte virtuelle Nachbarschaft! Diese Idee stammt aus der Zeit, als man noch glaubte, das Netz sei Garant für Freiheit und Demokratie: den frühen Neunzigern. Was wir von einander lesen könnten, würde den eigenen Horizont erweitern, das Gemeinschafterlebnis fördern, die Demokratie entwickeln. Wir kuscheln uns dabei glücklich aneinander. In virtueller Nachbarschaft und Freiheit mit Anderen zu leben, sich thematisch einzuordnen in den Chor der Netzdemokratie, das virtuelle Haus zu gestalten mit freundlichem Blick auf die Nachbarn – das alles erwies sich letztendlich als naives Denken. Sehr nahe war damals die virtuelle an der realen Welt, wie eine Stadt mit ihren Vierteln sollte das Bloggen organisiert werden: lange noch vor Google, das durch seine Algorithmen jede thematische Gruppierung obsolet machte. Noch regierte die kleine und verschworene Netzgemeinschaft mit ihren Themen, nicht die individuelle Anmutung und die Hoffart der Ich-AGs von heutzutage. Damals sah sich Schreiben scheinbar noch in Beziehung zum Anderen, in Abgrenzung und Beziehung gleichermassen: zumindest lautete so das Postulat. So hatten es die Erfinder von Geocities möglicherweise geplant, als sie uns mit ihren Gärten der Selbstgerechtigkeit verführen wollten. Da konnte man in virtuelle Neighbourhoods ziehen und bekam den Baukasten gleich mitgeliefert: nach Wien etwa (Klassische Musik, Oper, Ballett), oder nach Napa Valley (Essen, Wein, Restaurants, Gourmet Lifestyle), Rain Forest (Umweltthemen) oder Television City (Talk Shows, Sitcoms, Fandom), um dort seine Obsessionen zu feiern: das eigene Haustier, die neue Tastatur, den selbstgeschriebenen Code.

Die Anleihe an die Neighbourhoods amerikanische Städte scheiterte am Erfolg des wachsenden Individualismus der User. Jedem seinen eigenen Space, hiess es nun auch schon bald: Nachbarschaft Ade. Geocities ging zugrunde, Yahoo konnte da auch nichts mehr retten. Sie beendete ihr Dasein in Ruinen: eine Deleted City. Nachbarschaft Ade, ungetrübter Individualismus willkommen, Machtkonzentration der Internetriesen akzeptiert! ICH, ICH, ICH schrie es uns bald auch aus den abgelegensten Winkeln des virtuellen Raums entgegen. Und auch WordPress legte sein Angebot. Da liess man gerne die lästige Familie im Ghetto hinter sich.

Setzen wir unsere Betrachtungen fort mit Ideologiekritik. Bloggen hängt ja, und das kommt nicht überraschend, mit dem Willen zum schriftlichen Wort zusammen. Wer schreibt und dementsprechend formuliert, erschafft die Welt neu und gestaltet sie nach seinem Willen – oder aber produziert Klischees und plappert dem Mainstream nach. Kritik also war das Keyword, auch wenn sie nicht dazu beiträgt, die Welt wirklich zu verändern. Denn viel bleibt in dieser Welt ungesagt, unerhört oder wird falsch behauptet. Die Verschleierung der Wahrheit durch Politik, Wirtschaft und Medien gelte es also zu durchdringen. Klassische Frankfurter Schule also! Heute meint man damit: Fake News bekämpfen. Und genau das war das ungeheuer Attraktive am Bloggen für die kritischen Geister des letzten Jahrhunderts: Ohne Kapital und Macht publizieren zu können. Jedem seine eigene Bildzeitung und jedem sein ganz privates Konkret! Selbstverantwortung zu tragen für seine Posts lag da noch drin. Dieser Versuch der Selbstermächtigung hat aber nichts mit Glück zu tun, sondern eher mit dem Zweifel an der Funktionsfähigkeit der Welt. Ein Kritiker der faktischen Zustände macht sich durchs Bloggen nicht glücklich, er versucht vielmehr, seine LeserInnen aus ihrer biedermeierlichen Behaglichkeit zu schreiben. Aufklärung täte not. Bloggen ist daher die Kritik am einfachen Glück. Denn nur die Dummheit sonnt sich im Glück.

Der Siegeszug der Ich-AGs. Wenn schon Glück, dann möcht ich alles davon haben, und das nur für mich. Schliesslich hat sich das Problem mit der Ruhestörung durch die ewigen Zweifler mittlerweile selbst gelöst. Die Dummheit des Volkes (und der Politik) siegt letztendlich immer über den intellektuellen Anspruch. Es ist wie in der Modewelt: wer letztenendlich glaubt, Individualist zu sein, ist längst schon Herdentier. Der Siegeszug der Lifestyle – Blogs ist längst vollzogen und das Internet der Dinge zur Selbstverständlichkeit geworden. Das egomanische Bloggergeschwurbel findet statt, stündlich, minütlich, auf der ganzen Welt. In sattem Design, mit HD Fotomaterial, geglätteter und schlechter Sprache und naiver Anmache versuchen uns Legionen selbstvergessener Frauen und sensibler Männer von ihrem Lebensstil zu überzeugen. Bewaffnet haben sie sich nicht nur mit der modisch verbrämten Dummheit, wohlfeilen Phrasen und behübschten Bildern sondern auch mit Instagram, Pinterest und Twitter, um rasch die Botschaft in die Welt zu tragen. Ihre Schreiberlinge versprechen zwar, uns glücklich zu machen, wollen aber doch nur Influenzerinnen werden auf ihrem Weg ins virtuelle Paradies. Das macht sie vielleicht glücklich, in einer platten, unbegreiflich dummen Art von Selbstverwirklichung: der des Geldes. Bei allen anderen hinterlässt es nur den schalen Geschmack von dumbem Egoismus.

Analphabetismus. Lesen wir überhaupt noch, was andere in ihren Blogs schreiben? Wieviele Zeichen dürfen es denn sein, um den letzten Rest an verbliebenem Konzentrationsvermögen auszuschöpfen? Wieviele dürfen es maximal sein: 2000, 4000, 6000 Zeichen? Wäre es nicht besser, statt in den statischen Bloggerwelten auch noch ins Gezwitscher der asozialen Medien einzusteigen? So vielleicht rascher und zeiteffizienter im Gerangel um verwöhnte Follower zu reüssieren? Wer kann angesichts des selbstquälerischen Schielens auf Leserschaft überhaupt auf Glück hoffen? Ist das die Freiheit des Publizierens, die wir uns vor Jahrzehnten erhofft haben? Schreiben und denken wir als verantwortungsbewusste Bloggende, oder kotzen wir nur noch unsere privaten Obsessionen unverdaut dem Internet – Pöbel vor die Füsse?

Nein, wir lesen NICHT mehr, haben es längst verlernt beim Fingergewische auf hochsensiblen Smartphone Screens. Wir sind zu funktionalen AnalphabetInnen geworden, die durch Bilder, Videos und dumme Captions zappen, weil sonst die Zeit so langweilig geworden ist. Deshalb ist es wahrscheinlich längst nicht mehr richtig gedacht, dass sich Bloggen auch aufs Schreiben beziehen würde. Nicht Worte zu wählen, sondern Bilder hinaufzuladen ist das wahre Blogger – Glück der 20er Jahre. Den Bilderbasar einrichten – das hunderttausendste Katzenbild des Internets heute mit Verve zu posten, morgen kommen die Gartenkräuter dran. Vielleicht auch den neuesten Prank inszenieren und zu vloggen, mit idiotischen Kommentaren versehen. Einen Screenshot oder eine Weiterleitung aktivieren, um noch rasch vor dem Zubettgehen ein Lebenszeichen seiner mediokren Existenz abzusetzen. Einen Gedanken ausführlich und ohne Klischees zu formulieren, ausführliche Kommentare mit konzentrierten Argumenten zu hinterlassen: das beherrschen nur mehr Wenige.

Rückzugsgefechte. Das Gerede vom glücklichmachenden Bloggen mutet wie die Schönfärberei an, angesichts seiner realen Irrelevanz. Sitzen wir, die den Ethos des Bloggens aufrecht halten wollen, nicht schon lange auf einem maroden Abstellgleis? Bei uns, den Bloggern, herrscht die Einsamkeit, das wahre Internet passiert längst anderswo. Nicht, dass wir dort auch hin wollten! Uns bleiben immerhin die Plattformen unserer abgeschmackten Webdesigns und hilflosen Blogrolls, die aus einer Zeit stammen, als das Internet noch Laufen lernte. Wir erleben heute das Internet der Dinge, wer braucht heute noch das der Gedanken und Ideen? Dieser Kampf auf verlorenem Posten soll uns glücklich machen, gar den fantasierten Nachwuchs unserer Liebhaberei produzieren? Sind BloggerInnen den wirklich GlücklichmacherInnen? Derartige Bloggerei ist lächerlich geworden, reif fürs Gespött zynischer Influenzer und berechnender Fake-News-Propagandisten. Das ist fern von jedem Story Telling.

Bleibt noch die Frage, was beim Bloggen wirklich glücklich machen könnte. Genaues Hinsehen etwa, wie dies immer wieder gelingt; eine stringente und sensible Sprache, wie das nur gute Übersetzerinnen zustande bringen; wichtige Hinweise, die uns für das Überleben in den nächsten Jahrzehnten rüsten; interessante Themen, die man sonst nicht hcht lesen würde; Authentizität, wenn sie nicht abflacht, sondern immer von neuem sich bewährt. Und nicht zuletzt: Kunst, ja Kunst. Ach, ihr zitierten teuren Blogger, Euch mag ich gerne folgen, weil ihr mich für Momente pseudoglücklich macht – gleich einem Vogerl auf ausgestreckter Hand: kaum angesehen, fliegt es auch schon weg. Es gibt tatsächlich so etwas, wie intellektuelles Glück des Bloggens: der überraschende Gedanke, die präzise Formulierung, das überzeugende Argument können es auslösen, selten genug aber umso überzeugender dann. Solche BloggerInnen allerdings sind rar gesät. Denn, ich sag es voller Überzeugung, die Dummheit regiert auf dieser Welt und sie tarnt sich dann in cooler Professionalität.

Und als Akteur, der regelmässig bereit ist, Gedanken auf WordPress abzusondern – was macht ihn oder sie glücklich? Wenig eigentlich, denn Schreiben ist anstrengend bis schmerzhaft, braucht Freizeit, bereitet Sorge, macht unsicher, ob denn alles im Text geglückt sei. Schreiben hat mehr mit Manie zu tun als mit Einsicht. Dem Schreibenden ist der Leser immer ungewiss. Es ist die Bereitschaft für etwas zu leiden, was von kaum jemanden gelesen wird. Glück ist dem auf längere Zeit wohl völlig fremd. Trotzdem zu schreiben, heisst möglicherweise Leiden am Unverständnis der Welt. Rasch verglühen die Buchstaben, kaum geschrieben sind sie auch schon vergessen. Und nichts hat sich dadurch verändert.

Oder sind wir glücklich, bloss weil wir noch schreiben können, noch Bücher zu lesen imstande sind und unsere Handschrift üben wollen? Wir sind doch bloss die Hobos des Internets. Wir sind verelendete Schreiberlinge, auf verlorenem Posten schreibend: ein Beispiel wunschlosen Unglücks. Den unseligen Pathos vom Glück sollten wir aber in Frage stellen, wenn auch nur, um uns nicht lächerlich zu machen.

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