Screenshot aus der Fernsehserie mit Rupert Davies

Gerne lese ich die wenigen Blogs, denen ich auf WordPress und anderen Plattformen folge. Vieles darin Veröffentlichte regt meine Gedanken an, oft sind es auch die vielen Hinweise, die mich neugierig machen. Manchmal erfreue ich mich an einer Reihe von sehr gelungenen Fotografien, ein anderes Mal geniesse ich einen sehr gut geschriebenen Reisebericht. Es kommt auch vor, dass ich empfohlene Bücher kaufe und lese. Viele Überraschungen sind möglich, das Bloggen belebt mein intellektuelles Leben als Privatier. Diese andere Art von Kommunikation, jenseits des Genuschels der Sozialen Medien, nervt mich überraschenderweise nicht: im Gegenteil! In ihr ein Stück weit aufzugehen, bereitet grosses Vergnügen. Denn die Gedanken der Menschen auf den abonnierten Blogs sind interessant: und, was wichtig ist, sie wissen sich wohl auszudrücken. Sie schreiben gut und mit Verve, mit wenig Eitelkeit. Die Sprache ist ihnen noch etwas wert. Sie vermeiden das Infantile im ewigen Gemurmel des Internet und wertschätzen die Qualität des Geschriebenen. Kein Gezwitschere, kein Fuckebook, kein Instablabla: auf die Absonderungen der Scheinbildung können wir gut und gerne verzichten. Auch auf die gern bemühte Schwarmintelligenz vermissen wir nicht. Die anderen tun das Alles ohnehin mit unübersehbarer und leider wachsender Penetranz.

Qualität also vor Follower heischen, lesen statt klicken, schreiben statt stammeln. Das Gespräch pflegen, den eigenen Horizont durch Lesen und Verstehen erweitern. Dazu braucht es Worte und Menschen, die behutsam mit dem Schreiben umgehen. Kein Hineingerotze in den öffentlichen Raum also, kein Prahlen, keine verlogenen Pamphlete. Einen Text zu schreiben bereitet Mühe. Dabei sind Professionalität und Begabung gefragt. Beides steht uns Schreiberlingen bestens an. Ich lebe gerne in meiner elitären Blase: einer wahrscheinlich arroganten, sicher besserwisserischen und möglicherweise überkritischen Welt, die Dummheit und Larmoyanz nicht verzeihen will. Ich schreibe in einer selbst gewählten und streng definierten Welt, die selbstgewählte Dummheit und intellektuelle Faulheit hasst. Und selbst Erweiterungen des selbstgewählten Kosmos wollen gut überlegt sein. Denn Denken ist nie demokratisch, sondern das Gegenteil: radikal und elitär. So wollte ich es immer halten. Menschen, die das ebenso tun, begeistern mich.

Auch ist das Lesen in Blogs ein tägliches Ritual, dem ich sehr gerne folge. Wer liest mich, was hat er/sie mir im Kommentar zu sagen? Was wird geschrieben, bewährt sich meine Aboliste oder ist sie ein Zeit- und Aufmerksamkeitsräuber? Welche „neuen“ Blogger gibt es und lohnt es, sie zu abonnieren? Wer soll von meiner Leseliste gestrichen werden, wer hat sich selbst durch volatiles Schreiben oder Schweigen aus diesem Kreise geworfen? Ich bin anspruchsvoll, wohl auch verwöhnt, die Verführung durch Blabla und Wohlfühlbilder sind mir ein Greuel. Die Wahrheit ist vielschichtig und oft wird sie zur Lüge. Sie schillert wie ein fauliger Fisch. Vorsicht also auch hier! Der selbsternannten Querdenker gibt es allzu viele, nicht nur in pandemischen Zeiten.

Weil ich die, die ich nicht schätze, rigoros aus meinem Leseraum entferne, schätze ich die Verbliebenen umso mehr. Von diesen will ich hier auf meinem Blog vermehrt berichten: denn ihr Einfluss auf mein Denken ist nicht unerheblich. Ihren Beiträgen in den Kommentar zu schreiben, ist mir deshalb oft zu wenig: mehr hätte ich ihnen zu sagen, als es einem Kommentar ziemt. Auch haben manche keinen freigeschaltet, in stiller Verweigerung des öffentlichen Diskurses. Wo also kann ich sagen, was ich ihnen direkt oder über sie zu sagen habe?

Letztendlich fand ich die für mich passende Lösung. Eine Rubrik meiner geliebtesten Blogs richte ich ab nun hier ein, wissend, das sie das „Mostindien-Thema“ in meinem Blog sprengen wird. Egal: die FavoritInnen inspirieren mein Schreiben, auch bei scheinbar weit hergeholten Themen. Ich wünsche mir ein, zwei, tausend solcher Blogs, für mich und andere Leser. Auf das die Welt klüger und achtsamer werde! Das ist eine Unternehmung, die utopisch anmutet und auch ein wenig verrückt erscheinen mag. Denn so viel Herzblut steckt in guten Texten und will gewürdigt werden. Nicht viele Gelegenheiten bieten sich uns an, wie ein Fisch im Wasser der Gedanken zu schwimmen. Wohlan! Sie sei gegründet die Rubrik namens Blogkultur !

Sie sei eröffnet mit jener Bloggerin, die ich gerne als kultivierte Dame bezeichnen möchte. Die Dame hat natürlich auch einen Namen und heisst laut Selbstangabe Christa Hartwig . Sie versorgt uns auf ihrem Blog neben anderen Kleinodien (etwa: die Rubrik Lexikon !) mit wohltemperierten und präzisen Texten über das Genre des Kriminalromans britischer und französischer Provenienz. Das ist, wie ich meine, ein herrlich altmodisches Unterfangen und wohltuend gegen den Strich der verzweifelten Nordic Noir oder dümmlicher Regionalkrimis gerichtet, die derzeit den Büchermarkt beherrschen. Zu den Meisterinnen und Meistern des Kriminalromans zurückzukehren, ist vielleicht auch eine Frage des Älter Werdens. Oliven liebt man eben erst später, meint Frau Hartwig und beschert uns mit diesem Motto einen Blog, der zu den sorgfältig geschriebensten privaten Textmanifestationen des Internet gehört, die ich kenne. Mit Recht und ohne Übertreibung darf man sagen, dass es einem Fest der Sorgfalt und Einsicht gleichkommt, ihre Beiträge zu lesen. Jedenfalls verdanke ich Frau Hartwig die erneute Hinwendung zu „altmodischer“, „langsamer“ und auf den ersten Blick „unspektakulärer“ Kriminalliteratur. Da sind Grössen wie George Simenon (Kommissar Maigret), G.K. Chesterton (Pater Brown) oder Sir Arthur Conan Doyle (Sherlock Holmes), die es zu besprechen noch immer (oder schon wieder) lohnt.

Überraschenderweise blieb meine Aufmerksamkeit an ihren Impressionen über Simenons Buch „Maigret und der verstorbene Monsier Gallet“ hängen, obwohl ich den beliebten Kommissar bislang ein wenig verabscheut hatte, aus Gründen, von denen später berichtet werden soll. Vielleicht war es die Erwähnung jener Szene, als Maigret nach einem heissen Sommertag in der Villa einer Hinterbliebenen angekommen, ein Taschentuch verliert, das er im Schweissband seiner Melone eingeklemmt trug. Das ist ein literarischer „Schachzug“, den Frau Hartwig angesichts des Überbringens einer Todesnachricht als albtraumhaft bezeichnet. Oder war es ihre Einschätzung, dass sich das Gerüst und die Logik der Handlung recht sperrig entfaltet hätten, wie ein nass-klebriger Regenschirm, aber ihre Geduld letztendlich belohnt worden wäre? Oder war es ihre Geduld, mit der sie ein aus ihrer Sicht möglicherweise sperriges Buch zu Ende gebracht hatte, eine Verbissenheit, die ich auch manchmal mein Eigen nenne? Vielleicht aber fühlte ich mich letztendlich von folgender Textpassage angesprochen, mit der sie ihren Beitrag schliesst:

Ich persönlich finde es zunehmend spannender, nicht nur zu verfolgen, wie ein Autor eine Idee entwickelt oder eine Erfahrung vermittelt, sondern auch, was das Lesen dann in mir bewirkt. Für bloßen Zeitvertreib bin ich wohl einfach zu alt. Für die großen philosophischen Werke wohl auch.

Christa Hartwig: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet.

Bei so viel Nachsicht und Geduld mit einem Werk und bei der dabei erfahrenen Belohnung, etwas zu Ende gebracht zu haben, konnte ich nicht anders handeln. Ich lud mir das entsprechende Buch bei Thalia auf meinen Ebook Reader und begann mit der entsprechenden Lektüre. Naturgemäss beurteilte ich sie anders als die Autorin, war aber mindestens gleichermassen beeindruckt von dem Buch. Wie bereits gesagt: Gegenüber Jules Maigret hegte ich seit meiner Jugend wohlgepflegte und nie in Frage gestellte Vorurteile. Doch nun kam meine Urteilswelt ins Wanken, der Eindruck und das Urteil war mit einem Mal differenzierter. Monströs fand ich das Doppelleben eines Menschen, der alle zu täuschen vermochte und imstande war, ein Netz an Lügen zu knüpfen, die über Jahrzehnte hinweg so reibungslos funktionierten. Wahnwitzig verwirrend fand ich das Versteckspiel, mit der ein Autor seine Leser an der Nase herumführt wie an einem Nasenring. Brutal fand ich letztendlich die Verve mit der Simenon im letzten Drittel dieses Buches die Aufklärung der Hintergründe betreibt, ohne Rücksicht auf das Realitätsverständnis seines Publikums. Das war bei Weitem nicht mehr jene Anmutung, die mich beim Hören des Namens Maigret umfing. Es war das Gegenteil: eine komplette Überraschung über ein Stück gewagtes, verrücktes und holzschnittartig gemachtes Roman“fragment“, die sich vor mir ausbreitete. Am Anfang der Karrierre von Georges Simenon stand der Roman zwar, aber entsprach so gar nicht der Attitude eines Groschenromans. Nein, Simenon’s Talent war nicht das eines Verfassers von biligen Heftchen, die am Kiosk gehandelt wurden: er war tatsächlich ein ernstzunehmender, ein wenig überdrehter Autor. Die Zeit des Billigschreibers waren für ihn mit dem 1930 auf einem Boot geschriebenen Roman endgültig vorbei.

Ich war perplex und „very pleased“. Wie einen Fisch hatte ich mich in den von Frau Hartwig ausgelegten Köder verbissen, wie ein naiver Leser war ich ins Land von Maigret gezerrt worden. Das, geneigte LeserInnen, ist wohl ein Kompliment, das man nur wenigen Texten in der Einöde der Blogwelten machen will. Herzlichen Dank also, Frau Hartwig, es war und ist mir ein Vergnügen.

Wie es mir als zappelnder Fisch an den Maigret’schen Gestaden allerdings ergangen ist, das werde ich an anderer Stelle ausführlicher erzählen. Zeitnah, versteht sich.