Moos, Stein, Herbst: nochmals Sapmi

Ein englischsprachiges Blog, das ich sehr schätze und gerne regelmässig lese, ist jenes von Nimue Brown mit dem Namen Druid Life. Es versammelt eine sehr gute Mischung aus Texten zur Lebensbewältigung, naturreligiösen Überlegungen und künstlerische Reflexionen. Immer wieder möchte ich in meinem Blog auf einzelne Beiträge von Nimue Brown hinweisen, so eindrücklich sind diese. Ich habe das an anderer Stelle schon einmal getan. Heute wiederhole ich das, aber in doppelter Weise. Ein literarischer Text von ihr hat es mir dabei besonders angetan. Ich weise deshalb nicht nur auf das englische Posting hin, sondern habe ich mich auch mit Erlaubnis der Autorin an der Übersetzung ins Deutsche versucht: mit einiger Skepsis der eigenen Leistung gegenüber, für all jene, die Englisch nur ungern lesen und schreiben.

Die Hüterin der Pflanzen

Eine Pflanzenhüterin muss mit der Liebe reisen.
Sie hat alles ausser Dich verloren.

Ich habe die Erdfarben in mein Kleid aufgenommen. Die Zeichen und Symbole der Samen sind auf mir und in mir. Ich bin das Getreide, ich bin die strahlenden Blumen, welche die Bienen ernähren. Ich bin der Same, der in der Erde wartet.

Ich bin die Samensammlerin. Ich nehme nur wenig, von dem, was ich finde, niemals alles. Unbedingt die Schöpfungen neuen Lebens dort ruhen lassen, wo ich sie finde! Die lebenden Pflanzen brauchen meinen Schutz nicht, aber sie wollen von mir geehrt werden. Ich bin die Hüterin jener Pflanzen, die noch nicht leben und erst blühen werden. Ich trage die Samen zu neuen Plätzen, ich pflanze Hoffnung.

Es gab Leben vor diesem Leben. Ich bemühe mich, daran nicht zu denken. Ich will mich nicht erinnern, wer ich einst war oder was ich damals gesehen habe. Eine versteckte Monotonie liegt im Krieg, im Tod, in der Zerstörung. Die mögen dich tagtäglich erschrecken und schockieren, aber auch das wird immer weniger und immer weniger davon verbleibt in dir. Es bleibt nur Furcht und Trauer, und noch mehr Trauer, und der Versuch, am Leben zu bleiben. In meinem Bewusstsein verschwimmen die beiden Gefühle, wie hinter einem Schleier aus Schmerz. Ich will mich nicht daran erinnern.

Ich will keine Kriegsgeschichten hören. Ich will nicht damit konkurrieren, wer die schlimmsten Dinge sah, wer mehr litt und trotzdem lebte. Wir sind alle gezeichnet, im Innen wie im Aussen. Ich habe Tattoos, die meine Wunden verstecken, sodass man zuerst Kunst sieht und nicht die Beschädigung. Ich habe meine neue Geschichte der Samesammlerinn und des Lebens auf meine Haut aufgetragen, um zu verbergen, was mich zuvor verlassen hat. Wenn ich meinen Körper ansehe, sehe ich die von mir ausgewählten Zeichen und nicht den Schaden, der mir zugefügt worden ist.

Ich bin jene Person, die ich zu sein mich entschloss, als mir nichts mehr übrig blieb. Mein Körper erzählt diese Geschichte ausführlich. Ich bin nicht das, was mir geschah, ich bin all das, zu dem ich mich entschloss.

(Das Bild und der ursprüngliche Text stammen von Dr. Abbey)

Aus dem Englischen übersetzt mit Genehmigung der Autorin. Original: Plant Guardian – fiction, von Nimue Brown, am 21. September 2021 auf dem Blog Druid Life.