
Da stand ich also, im Wiener Ostarrichi Park, auf dem vor kurzen die Shoah-Gedenkstätte errichtet worden war. Ich suchte unter den rund 65.000 Namen verfolgter Jüdinnen und Juden jene Familie Silberstein, von deren Verschleppung mir einst als Jugendlichen meine Grossmutter berichtet hatte. Nicht mehr als ihr Familienname war mir in Erinnerung geblieben und sie daher auf den Marmortafeln zu finden war ein Unterfangen, das schon von vornhinein zum Scheitern verurteilt war. Warum also die Hoffnung, hier tatsächlich jene Familie identifizieren zu können? Sie war, so oder so, Bestandteil meiner Familiengeschichte und beschäftigte mich auch als einer, der 10 Jahre nach Kriegsende geboren wurde. Vielleicht hoffte ich auch insgeheim, die Familie auf der Gedenktafel deshalb nicht finden zu können, weil sie letzten Endes dem Tod durch die Nazischergen entkommen konnte. Aber das ist höchst unwahrscheinlich. Wie sollte mich auch von der Geschichte entlasten dürfen?
Viele der Besucher dieser Gedenkstätte suchen so wie ich Namen, finden sie, suchen aber auch vergeblich. Glücklich und unglücklich zugleich jene, die mit ihren Händen den Namen eines getöteten Verwandten berühren dürfen. Viele Mernschen, die sich miteinander auf die schmerzhafte Suche machen. Manche von ihnen tauschen Geschichten aus, sprechen angeregt miteinander, Andere bleiben stumm. So werden die BesucherInnen zum Teil einer Erinnerungskultur, die wichtig ist für dieses Land und seine Menschen.
So viele Namen, so viele Getötete, darunter viele Familien mit dem Namen Silberstein. Die in den Stein gemeisselten Namen verschwimmen vor meinen Augen. Das Leid der Familie geht auf im Leid eines von Hass und Leid verfolgten Volkes. Und plötzlich wurde daraus das Leid aller vom Nationalsozialismus Verfolgten, Gefolterten und Ermordeten. Denn die Opfer streiten nicht um unsere Beachtung.
Ihrer zu gedenken, war das Ziel dieses Zentangels.
