
Ist des Thomas‘ Nacht kalt
Mae Ludwig: Thomasnacht.2021
Und der Schnee bedeckt den Wald,
Holt Drei mit dem Hammerl,
Der Bluadige Thamerl.
Ich hoffe, das Ungeheuer wird Sie diese Nacht nicht auf der Strasse überraschen, die Percht in Gestalt des blutbefleckten Tomerls. Wahrscheinlich haben Sie auch nicht damit gerechnet, dass die Rauhnächte schon begonnen haben, in dieser Nacht des 21. Dezembers. Denn normalerweise beginnt man immer erst mit Weihnacht zu zählen, 12 Tage von da an. Aber es gibt eben auch die 13. Nacht und sie wird Thomasnacht genannt, die längste Nacht des Jahres. Sie ist jenem Apostel gewidmet, der am längsten an der Auferstehung von Jesus gezweifelt hat: dem Ungläubigen Thomas eben, der aber dann sein glühendster Vertreter auf Erden wurde und die Göttlichkeit Jesu als erster anerkannt hat . Die längste Nacht des Jahres hielt also die Kirche bereit für den, der am Längsten gezweifelt hat. Name und Traditionen blieben, obwohl die katholische Kirche den Feiertag des Apostel Thomas längst in den Sommer verlegt hat.
Tag und die Nacht wurden im Volksglauben zum „Lostag„, einem Tag, in dem das Wetter aber auch das Schicksal, das einen trifft, vorhergesagt werden kann, ja vorherbestimmt ist. Bauernregeln für diesen Tag gibt es viele, darunter: (1) Wenn Sankt Thomas dunkel war, gibt’s ein schönes neues Jahr. (2) Sankt Thomas bringt die längste Nacht, weil er den kürzesten Tag gebracht. (3) Am Thomastag wächst der Tag nur einen Hahneschritt. Eine Nacht ist dies auch, in der die Grenze zwischen diesseits und Jenseits brüchig wird und es gefährlich ist im Freien, vor allem für die Kinder. Denn da gibt es wie in allen Rauhnächten, die Gegenspieler der Heiligen und des Glaubens: die Gewalt, den Schrecken, das Böse, das überaus Gefährliche. Es tritt also auch am 21. Dezember eine jene der Gestalten auf, die zusammen mit der Wilden Jagd und Frau Percht diese Nächte bevölkern und ihr übles Handwerk verfolgen wird: der blutige Thomerl aka das bluadige Thamerl aka der Thama mit dem Hamma.
Blutverschmiert und mit einem mächtigen Hammer ausgestattet, bedroht der grausige Metzgergeselle alle, die nach Einbruch der Dunkelheit noch auf der Straße unterwegs waren, und hatte es besonders auf geizige und neidische Menschen abgesehen.
Ökumenisches Heiligenlexikon: Thomas.
Schliesslich war der 21. Dezember der letzte Schlachttag des Jahres und ein überreizter Metzgergeselle wohl vom Blutrausch überfallen. Er irrtE durch die Strassen, in Bocks und Ziegenfell gekleidet, rumpelte an den Türen, streckt ein blutiges Bein bei der Türe herein, ohne aber die Stube zu betreten. Blutbesessen irrte er durch die Nacht, drohte, den Kindern mit seinem Hammer den Schädel einzuschlagen.
Ein irregeleiteter Gott Thor aus den Mythen der Germanen oder einfach nur ein blutbefleckter Metzgergeselle, der nach dem letzten Schlachten des Jahres nach Hause kam und vor dem sich die Kinder gruselten? Oder einfach ein über die Generationen regional differenziert gestaltetes Sinnbild für das Unheil, das in diesen Nächten nicht nur den Kindern, sondern uns allen droht? Allen, die beim Blick in die jenseitigen Welt Grenzen übertreten, die sie besser nie angerührt hätten? Gibt es das überhaupt, das Jenseits?
An einem Brunnen in der Stadt Weiden in der Oberpflalz ist er ebenso abgebildet, der Kindesmörder, links des Wasserschleiers, gerade gegenüber seiner grausamen Verwandten, der Bösen Lucier, die am Vorabend des 13. Dezember mit ihrem Schlachtmesser droht, Bäuche aufzuschneiden, um Därme und Blut in ihrer Schüssel zu sammeln. An grausamen Perchten gibt es also viele in dieser Zeit: der blutige Thomerl und die Luzier sind nur einige davon: Die Habergoas, die Drud, das Fetzenmoagl, das Mehlweibl, der Klabauf, die Waldhexe und, und, und …. Wir sind eben in den Rauhnächten!
Augenverdrehn, Achselzucken, tiefes Einatmen. Muss das denn jetzt auch noch sein? Nach 24 Tagen, die mit dem Öffnen von Adventkalendertürchen mit sinnbefreitem Inhalt verbracht wurden, nach 4 Wochenenden mit hübsch drapierten, brandgefährlichen aber sehr langweiligen Adventkränzen, jetzt auch noch 12 Gruselnächte mit Blick aufs Jenseits? Ja, Sie haben recht! Zu viel und viel zu Plump-Erregendes wird derzeit geschrieben über die Rauhnächte; meist Esoterisches, meist Volkstümliches, meist herbei Fabuliertes, meist auch Blödsinniges, insgesamt von krudem Aberglauben Beseeltes, wie man früher formulierte. Livestyle mit Räucherwerk, Selbstreflexion, Kreativitätsübungen und Querdenkerquatsch – brauchen wir das nach dem Supergau Adventzeit nun auch noch die Rauhnächte?
Ich muss Ihre Befürchtungen bestätigen; ja, wir brauchen sie, zumindest auf diesem Blog. Ihre diesbezügliche Geduld, ja Leidensfähigkeit wird tatsächlich strapaziert werden. Während sich andere BloggerInnen eine Auszeit gönnen, stosse ich also in die Aufmerksamkeitslücke. Von heute an werde ich bis 6. Jänner in lockerer Folge zu den Rauhnächten schreiben: viel Abstruses, viel Absonderliches, viel Persönliches. Auch der schlechte Geschmack wird nicht zu kurz kommen. Das kann ich gut und gern schon jetzt versprechen.
Ich bin gespannt 👹
Eine Maske aus Brünn? Da kommt ein Teil meiner Vorfahren her 😊
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Meine auch, aus Südmähren. 🙂
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Ich freue mich! Die Rauhnächte waren mir bis jetzt üüüüberhaupt kein Begriff. Aber dass es draussen dunkel ist, merke ich beim Flanieren. Eigentlich ist es immer neblig oder dunkel. Was sollte man anderes tun als lesen, wenn man nicht mit Gastlichkeiten beschäftigt ist! Lass dich nicht von irgendwelchen Ungeheuern da draussen auffressen. sondern erzähl!
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Aber gerne doch! 😉
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