Insbesondere in den Rauhnächten, also den 13 Nächten zwischen 21. Dezember und 6. Jänner, soll die Wilde Jagd (auch Wildes Heer genannt) über den Himmel jagen und Schrecken verbreiten. Angeführt wird sie entweder von Frau Percht oder einem Wilden Jäger. Vorboten sind sie für Kriege, Dürren, Krankheiten und den Tod all jener, die ihr ansichtig werden.

Am Zug nehmen Männer, Frauen und Kinder teil, meist solche, die vorzeitig einen gewaltsamen oder unglücklichen Tod gefunden haben. Der Zug besteht aus den Seelen der Menschen, die „vor ihrer Zeit“ gestorben sind, also durch Umstände verursacht, die vor dem natürlichen Tod im Alter eintraten. Legendarisch ist überliefert, dass Menschen, die den Zug betrachten, mitgezogen werden und dann jahrelang mitziehen müssen, bis sie befreit werden. Auch Tiere, vornehmlich Pferde und Hunde, ziehen mit.

Wikipedia: Wilde Jagd

Bei der Lektüre über die Wilde Jagd, die in den Rauhnächten Land und Leute bedroht, ist mir plötzlich die Irrationalität und der Wahnsinn der tobenden Meute unserer pandemischen Gegenwart in den Sinn gekommen. Für die COVID-LeugnerInnen, VerschwörungstheoretikerInnen und Rechtsradikalen scheinen die Schleusen gebrochen zu sein. Nichts mehr gilt in dieser Welt: weder die Wissenschaft, noch die Logik und schon gar nicht soziales Verhalten. Die Dunkelheit hat sich ihren Weg gebahnt, die Dummheit, der Egoismus und der Tod.

Was fällt Ihnen bei der Wilden Jagd ein? Vielleicht der Wahnsinn, dem wir auch abseits der Rauhnächte begegnen? Ein enthemmter Mob mit seinen Entgleisungen auf den Strassen unserer Städte? Verzerrte Fratzen von irren Bürgern, Transparente mit Hassparolen, die Gosse, die die den Journalismus bedroht, das Personal der Krankenhäuser, die ÄrztInnnen und WissenschafterInnen? Ein Panoptikum des hohnlachenden Schreckens zeigt sich, das sich im Irrsinn der eigenen Parolen wälzt und nichts als Zerstörung möchte angesichts der Pandemie: Zerstörung für sich, die Anderen, für das Land, die ganze Welt? Kommt ruhig her, steckt euch an an uns, die wir die Ansteckung leugnen! Verirrte Seelen, die in Tierfellen und mit Gehörn sich dem eigenen Untergang entgegen trommeln. Dort wo Dummheit, Volksverhetzung, Esoterik und Rechtsradikalismus wieder einmal zusammengehen, entfaltet sich das Ferment des Wilden Heeres – in einer Gesellschaft, die taumelnd in den Untergang schwankt, in einer Apokalypse aus Irrationalität, Gewalt, Autoritätshörigkeit und Klimakatastrophe.

Die Wilde Jagd ist unter uns, umtobt uns mit Brausen und die gefährlichsten unter Ihnen sind jene, die ihr bereits zum Opfer gefallen sind und am eigenen Totenfest tanzen:

Das Wilde Heer
Habt ihr die Wundersagen
Vom Hörselberg gehört,
Aus dem das tolle Jagen
Des wilden Heeres fährt?

Wenn Schnee den Wald umschleiert,
Wenn in der Winterzeit
Der Landbewohner feiert
Und sich an Märchen freut, —

Da wird vom Berg die Kunde
Oft in den Hütten laut,
So schaurig, daß der Runde
Der Spinnerinnen graut.

Es wohnen dunkle Mächte
Tief in des Berges Schoss,
Und während der zwölf Nächte
Läßt sie die Hölle los.

Da dröhnt’s, wie Horngeschmetter,
Tief aus des Berges Kluft,
Da braust’s, wie Hagelwetter
Hoch oben in der Luft.

Da schallt ein lautes Heulen
Von Stimmen, dumpf und hell,
Bald wie der Schrei der Eulen,
Bald wie der Hunde Gebell.

In Menschen – und Tiergestalten
Zeigt sich ein Geistertross,
Von Jungen, wie von Alten
Und Jäger, hoch zu Ross.

So zieht das Spukgelichter,
Ein grausenvoller Schwarm,
Im Nacken die Gesichter,
Oder Schädel unterm Arm.

Die dumpfen Hörner schallen
Weit über der Wälder Nacht,
Die Peitschenhiebe knallen
Und Eich‘ und Fichte kracht.

Ludwig Bechstein (1801-1860): Das wilde Heer.