Die vier Hunde seines Lebens. Wikimedia Commons.

Nach manchen Gesprächen mit Menschen hat man den Wunsch einen Hund zu streicheln, einem Affen zuzulächeln und vor einem Elefanten den Hut zu ziehen!

Maxim Gorki

Kennen Sie das Gefühl, mit einem Male in die Haut von Menschen geschlüpft zu sein, die man sonst immer mit leiser Skepsis betrachtet hat? In die Haut der Hundemenschen etwa, die bei jedem Wetter mit ihrem Tier die Runden drehen, in gelebter Einheit mit einem Geschöpf, dem sie einen Teil ihres Lebens widmen wollen? Die mit anderen HundeführerInnen zusammenstehen, um ihren sich beschnüffelnden Lieblingen versonnen zuzusehen? Jene schliesslich, die beginnen, mit dem Tier in einen, zugegeben einseitigen, aber dafür umso liebevolleren Dialog zu treten? Und dann die, die so ähnlich aussehen wie ihr Hund?

Das In die Haut eines Anderen Schlüpfen hat natürlich etwas komplett Unernstes, Spielerisches und Spekulatives an sich. Es tut so, als ob man tatsächlich die wäre, die man gerade vorzeigt. Das, obwohl man weiss, das man es nur temporär tut! Man geriert sich schlicht und einfach als jemand, der/die man tatsächlich nicht ist; oder noch nicht ist; man spielt eine selbstgewählte Rolle. Oder ist es vielleicht auch nicht so? Ist man durch das Probehandeln auf seinen eigentlichen, vermeintlich wahren Kern gestossen? Ist man gar ein „Hundemensch?“, ein „Katzenmensch“, ein „Vogel-„ oder „Hamstermensch„? Oder war das „Gassi Gehen“ nur ein Gastspiel auf fremder Bühne, bevor man wieder zu seinem alltäglichen Habitus zurückkehrt, um eine Erfahrung reicher?

Wie dem auch sei: es gab bis jetzt 4 Hunde in meinem Leben: oder eigentlich drei. Der erste war ein rabenschwarzer Schäferhund mit glänzendem Fell, fast so schön wie das Gefieder des Rabenviehs. Er lebte am Nachbargrundstück meiner Urgrossmutter, hörte auf Rexi und war angeblich ein „scharfer“ Hund. Ihn liebte ich mit aller Hingabe und ohne Scheu oder Vorsicht. Eine richtige Begegnung mit Rexi blieb mir verwehrt, immer war der Maschendraht zwischen uns. Ihm gab ich mit Hingabe heimlich gestohlene Zuckerstückchen; bis er eines Tages auf mein Rufen hin nicht mehr auftauchte. Die Nachbarn hatten ihm den Kontakt mit mir verboten. Ich war damals fünf Jahre alt.

Hund Nummer 2 war ein riesiger Golden Retriever, ein komplett verwildertes, durch keine Erziehungsmassnahmen „verbildetes“ Tier. Er war unglaublich kräftig, triefte an den Lefzen und verhielt sich skandalös unerzogen: ein us-amerikanischer Hundebürger. Mit ihm ging ich in einem Vorort von St. Louis spazieren. Er hiess Dunker und gehörte der damaligen Lebensgefährtin. I walked the dog, was die im Vorort patrouillierenden Cops nicht so richtig verstanden. Wer geht schon spazieren, so frei nach Lust und Laune, wenn auch mit Hund? Ich ging mit ihm Kilometer weit, auch das war verdächtig im Staat des hemmungslosen Automobilismus. Aber ich muss mich korrigieren: He walked me, definitely!

Nummer 3 war ein Fehler und er zählt in meiner Reihung eigentlich nicht: es einer jener Französischen Bulldoggen, die unangenehm riechen und meist die Schosshunde irgendwelcher Tussis mimen. Ihn walkte ich nur aus Gefälligkeit, mit viel Überwindung und jede Zuneigung vermeidend. Die Begegnung mit anderen Hundebesitzerinnen auf unseren Touren war zudem äusserst unangenehm. Sie suchten das Gespräch mit mir, in überraschender Regelmässigkeit. Wem die Aufmerksamkeit galt, war klar: mir jedoch, als eingefleischten Misanthropen, war es in jedem Fall sehr lästig. Ausserdem verstand ich das Schweizerdeutsch der Anschluss suchenden Damen nicht. Immer nur freundlich nicken, lässt einen auch dumm aussehen. Den Namen dieses Hundes habe ich vergessen, sein Geruch hat sich auf ewig in meinem Gehirn eingebrannt.

Mit dem vorläufig letzten Hund names Chico verbindet mich eine tragfähige Strassenpartnerschaft. Als ehemaliger Strassenköter und Bastartel (= Wienerisch) kultiviert er genauso wie ich eine gewisse Bissigkeit und Unnahbarkeit, ich möchte auch sagen, hintertriebene Schlauheit. Darauf sind wir geradezu stolz. Er hat mich fast zwei Jahre lang angeknurrt, um letztendlich klein beizugeben und den Vorteil einer Zweckbeziehung eingetauscht gegen die Abneigung gegenüber grossgewachsenen Männern. Ja, wir gehen beide liebend gerne spazieren, und das auch bei schlechtem Wetter. Da darf ich mich ihm gerne mit einem Sack Leckerlis anschliessen. Mit ihm besteht heute das, was man auch als „Spaziergangspartnerschaft“ bezeichnen könnte. Und er trägt derzeit entscheidend zu meiner Fitness bei. Dem Hund sei Dank, darf ich ihn „walken“.

Sich regelmässiig in der Landschaft zu ergehen, ist nichts Fremdes für mich. Doch mit dem Hund spazieren zu gehen, bedeutet weniger Meditation als vielmehr Konzentration auf die Gefährdungen des Lebens und die Bedürfnisse des Hundes. Allem voran der nervige Strassenverkehr, von dem die Menschheit glaubt, ohne ihn keine Freiheit geniessen zu dürfen. Denn unser beider Revier schneidet eine Autobahn entzwei. Um auf die Felder und in den Wald zu gelangen, sind Brücken zu überqueren: Autobahnbrücken! Das tun wir knurrend und in angemessener Eile. Beide haben wir in unserem Leben am Auto gelitten: mit Leib und Leben immerhin. Das verbindet. Seit ich Chico kenne, hasse ich den Autoverkehr nur noch mehr. Beide zucken wir zusammen, wenn ein Lastwagen sich nähert oder hochtourige PKWs auf sich aufmerksam machen. „Was für Wixer!!“, knurren wir gereizt. Die Welt ist krank und Autos machen sie noch kränker: davon sind wir überzeugt. Da müssen wir durch.

Heute habe ich dem Leihund Leckerlis gebacken: eine Sorte mit Huhn, die andere mit Leber. In der Wohnung riecht es unangenehm. Ob ich nicht doch ein „Hundemensch“ sein will?