
# Wohlstandsverlust: Gemeint ist damit das Ärmerwerden der Bevölkerung durch verringerte Kaufkraft. Als seine Ursachen werden Inflation, sinkende oder stagnierende Reallöhne und die Verteuerung von wichtigen Gütern genannt. Masstab sei nach Auffassung vieler Ökonomen das Sinken des Bruttonationalprodukts. Allerdings bewegt sich diese Erklärung in einem sehr eingeengten, weil ökonomistischen begrifflichen Umfeld. Um zu einem präzisen Begriff zu gelangen, müsste man auch Einflussfaktoren wie die politische, wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Situation eines Landes in Betracht ziehen. Somit wären allein schon die Folgen der Klimakatastrophe ein wichtiger Indikator für den Wohlstandsverlust der Bevölkerung. Das aber ist in der derzeit laufenden Debatte um den sgn. Wohlstandsverlust keineswegs der Fall.
Ihren Wohlstand tragen satte BürgerInnen gerne vor sich her: unverschämt, selbstbeflissen, geschmacklos, sicher nicht nachhaltig oder klimaneutral. Sie werden dadurch zu peinlichen Deix-Figuren und Akteuren der Apokalypse. Sicherlich: auch die gestählten Dauerjogger sind damit gemeint und auch die allerorten sich stolz präsentierenden Gesundheitsfanatiker. Es ist eine Sache der Mentalität, nicht des körperlichen Zustands. Viele haben Angst vor Veränderung, denn:
Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Wohlstandsverlusts. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet, …….
Eigentlich: Beginn des Kommunistischen Manifests von 1948, aber ein Wort verändert.
Nein, ich spreche nicht von denen, die selbst nichts haben, sondern von denen, die genug haben. Aber, wann ist es genug mit dem immer Mehr? Alle haben doch niemals genug und wollen immer mehr, bis in ihren eigenen Untergang hinein. Besser reich und satt sterben als bescheiden und ausreichend leben. Pures Anspruchsdenken, möchte man sagen. Unglücklich sind diese Menschen zutiefst, weil sie zur Selbstversicherung ständig Güter akkumulieren müssen. Selbstbeschränkung ist zwar aus ökologischen Gründen unausweichlich geworden, aber immer noch das Schimpfwort selbstgerechter Lebensplanung. Ökonomischer Wohlstandsverlust ist narzistische Kränkung und Selbstverleugnung gleichzeitig. Davor warnen die am Populismus orientierten Politiker allerorten, wenn es eigentlich darum gehen müsste, politisch-moralische Haltung zu zeigen. Sie sind zu Apologeten des Wirtschaftswachstums verkümmert.
Dieser Stadt schwillt schon der Bauch
Und ich bin zum großen Knall bereit
Auf den Dächern hockt ein satter Gott
Und predigt von Genügsamkeit.Genug ist nicht genug
Konstantin Wecker: Genug ist nicht genug (Für Barbara), 1977.
Ich lass mich nicht belügen
Schon schweigen ist Betrug
Genug kann nie genügen.
Genug ist nicht genug, dieses Lied hat Konstantin Wecker 1977 verzückt gesungen und damit die lustvolle Überschreitung seiner existentiellen Beschränkung beschrieben. Aber er sprach auch den satten Gott an, der auf den Dächern der Stadt hockt und dem er offenbar entkommen wollte. Doch in eben diesem, seinem Urteil, dass der satte Gott Genügsamkeit predige, hat er sich definitiv geirrt. Dem satten Gott hat sein Reichtum noch nie gereicht und auch für die Anderen wollte er mehr und mehr an Konsum. Mit der List der Geschichte hat er deshalb die Suche aller jungen Konstantins in die Irre geführt. Die Generation von damals sollte schliesslich finden, was sie niemals suchen wollten: das bedingungslose Konsumieren und die panische Angst vor dem Wohlstandsverlust. Die Jugendträume sind meist vergessen, die Attitude jetzt zu Zynismus geschrumpft.
Glossarverzeichnis: Einführung ins Glossar # Street Credibility # Microgreens # Plastification # Querdenken # Anspruchsdenken # Betonmichi und SLAPP # Wellenbrecher # Alles gut # Denkpest # Wiederbelesung # Hopepunk # Comfort-Literatur # Philosophische Praxis # non-bathing # Sneakerjagd # Putins Denazifizierung # Weltschmerz # Zeitenwende # Warfluencer # Apokalypse Now # FoodstylistIn # Westsplaining # Wohlstandsverlust
Ich weiß nicht, ob Wecker noch
Genug ist nicht genug,
singt.
Seltsam wie sich Dinge wandeln. Was einstmals ein guter Ansatz war, ist heute womöglich das Gegenteil.
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*nicke* ………
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