# Denkpest: Ein von Sascha Lobo (Die Zeit) geprägter Kampfbegriff, mit welchem er die Meinungen von Impfgegnern und deren überraschend gute Verbreitungsdichte durch soziale Medien bezeichnet. Für ihn bildet sie die Vorstufe zum umfassenden Verschwörungsglauben. 
Wird aber in der Umformulierung zur # Gedankenpest auch von den VerschwörungstheorieanhängerInnen verwendet, um die behauptete Manipulation der Menschen durch Massenmedien und die Politik zu beschreiben.

Da ist ein (scheinbar) neuer Begriff aufgetaucht im Kampf um die Meinungsherrschaft rund um die Corona-Pandemie: die # Denkpest. Ich finde diese unheilvolle Kombination von Denken und Pest für höchst gefährlich. Nicht überraschend ist hingegen: Auch die von ihm bezeichneten Verschwörungstheoretiker kontern mit ähnlicher Begrifflichkeit: der # Gedankenpest.

Daniel Binswanger hat den Begriff der Gedankenpest schon zwei Jahre zuvor im Schweizer Magazin Republik hat 2020 auf die gefährliche Metapher Corona als gesellschaftliche Krankheit hingewiesen und dabei von Gedankenpest gesprochen:

Das Corona­virus ist keine Metapher, es ist eine Realität. Aber die Metapher hat das Potenzial, eine massive Brutalisierung der sozialen Verhältnisse akzeptabel zu machen. Gemeinsam, als Gesellschaften, müssen wir uns resistent zeigen.

Der Artikel muss wohl Herrn Lobo bei der Prägung „seines“ Begriffs wohl bekannt gewesen sein: distanziert er sich doch von der Metapher der Krankheit, auf die Binswanger hingewiesen hat. Trotzdem: Wenn also Sascha Lobo mit der Emphase des kritischen (linken?) Journalisten von der Radikalisierung der Impfgegner spricht, tut er etwas, was auch Teile der Befürworter des Impfens tun: sich zu radikalisieren im Kampf um die Meinungsvormacht. Dies befeuert der Autor nun mit seiner missglückten Kreation des gegenständlichen Begriffs.

Was also machen die Begriffe Denkpest und Gedankenpest mit uns? Sie treiben das gesellschaftliche Hasskarussel weiter an. Denn eine Pest muss man „ausmerzen“ und „ausgrenzen„, vernichten. Das haben wir vom Mittelalter gelernt und in unserem historischen Gedächtnis gespeichert. Jene Berichte, nach denen die Erkrankten vor die Stadtmauern verbannt und nach ihrem Tod in Kalkgruben verscharrt wurden, kennt fast jeder, der eine Schule besucht hat. Dieser damals mit der Strafe (oder zumindest Abwesenheit Gottes) in Zusammenhang gebrachte Totentanz versetzt uns heute noch in gefährliche Panik. Die Pest ging um, damit der Tod und das Elend, die Geworfenheit ins Elend, die Entfesselung Satans! Die Flöhe hüpften über von den Kranken auf Gesunde: unsichtbar, unbegriffen, unerklärlich. Pestbeulen überzogen die Körper, begleiteten die Totgeweihten in Ausgestossenheit und Siechtum. Die Pest als Fanal! Solche Bilder tauchen unwillkürlich auf und tragen dazu bei, Menschen zu segregieren, und das gesellschaftliche Klima weiter anzuheizen. Der Kampf um die Begriffe ist nur ideologischer Ausdruck davon. Er zeigt, wie sehr mystifiziert wird, was gerade passiert. Pandemie ist eine Metapher, eine brandgefährliche: # Denkpest und # Gedankenpest ihre Waffen. Sie verleugnen die Rationalität dieser Welt und machen die Vernunft zur beliebigen Meinung.

Man könnte nun behaupten, dass mit Gedankenpest/Denkpest ja nur ein Phänomen des Verhaltens bezeichnet werde, und nicht konkrete Menschen gemeint sind. Falsch! Jemand zu unterstellen, mit Denkpest/Gedankenpest infiziert zu sein, diskriminiert ihn als unheilbar krank und als jemanden, den man (als Konsequenz, siehe mittelalterliche Pest) wohl auszumerzen habe. Diese Enthumanisierung der Sprache heizt den vorhandenen und von den sozialen Medien befeuerten Hass an, der nur die latenten Ängste vor der Krankheit (der sozialen Deklassierung) versteckt.

Sehen wir sofort davon ab, uns nicht auch selbst in die allgemeine Gewaltspirale zu begeben! Behandeln wir die von (kleinen, radikalisierten) Teilen der Impfgegner geäusserten Befindlichkeiten als das, was sie tatsächlich sind: als Fake News, als Blödsinn, als Verwirrtheit, als mutwillige politische Propaganda der Rechten bis Rechtsradikalen: aber nicht als Denkpest/Gedankenpest. Das führt nur zu weiterer Radikalisierung der Gesellschaft, diesmal der Vernünftigen, die sich mehrheitlich nicht auf Telegram sondern auf Twitter ereifern. Man möge dort lesen und sich erbrechen über die oft inakzeptablen Bemerkungen der „Guten“. Auch das brauchen wir wohl nicht. Denn die Rechte kann man nicht mit irrationalen Begriffen bekämpfen, Herr Lobo.

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Glossarverzeichnis:   Einführung ins Glossar # Street Credibility # Microgreens # Plastification # Querdenken # Anspruchsdenken # Betonmichi und SLAPP # Wellenbrecher # Alles gut # Denkpest